Nachklang 2000 Watt

Living Room Brunch „2000 Watt – Watt’n datt?!“

Am 3. Mai 2015 versammelten sich ein paar verwegene Besucher/innen in der Spenglerei zum zweiten Living Room Brunch. Auf dem Sofa wird über die 2000 Watt Gesellschaft gesprochen. Das Winterthurer Stimmvolk hat die Vorlage per Abstimmung im Jahr 2012 angenommen. Was bedeutet das für unseren Lebensstil in der Stadt? Welche gemeinschaftlichen Strukturen braucht es, um dieses Ziel bis 2050 zu erreichen?

 

Zur Einstimmung beglücken „Grooves and Overtones“ (Nathan Plancherel an der Gitarre und Daniela Teuber mit der Mundharmonika) das Publikum mit den heimatlichen Klängen von Mani Matter, welche sie auf persönliche Weise interpretieren.

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Moderatorin Sabine Heusser Engel bekommt einen Anruf von ihrem Personal Coach „Joule“, der ihr Tabletten verschrieben hat, um ihre Leistung zu optimieren: „Weniger essen, mehr arbeiten und dies alles in kürzerer Zeit.“ Dies kostet Geld, was sich jedoch lohnt in einer Welt, in der immer mehr Einsatz gefordert ist, um mit den anderen mithalten zu können. Schneller, höher, weiter …

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Der Einstieg ins Thema 2000 Watt gelingt mit Sofagast Carmen Günther (Fachstelle Nachhaltige Entwicklung, Stadt Winterthur). 2000 Watt bedeutet, dass jede/r von uns so viel Energie verbraucht, als würden zwanzig Radfahrer für jede/n von uns dauerhaft in die Pedale treten. Das ist einiges weniger als heute. Als Stadt will Winterthur im Vergleich schweizweit eine Vorreiterrolle spielen. Dazu ist man auf gutem Weg: Der 2014 vom Stadtrat verabschiedete Massnahmenplan wird vor allem im Infrastrukturbereich (Gesundheitswesen, Bildungseinrichtungen, Strassenbau, Stromproduktion, Müllverbrennung …) den kollektiven Energieverbrauch weiter senken. Dies hören wir gern, denn unser Energieverbrauch und C02-Produktion als Stadt – aber auch schweizweit – ist als standardmässiges „Grundrauschen“ im Co2-Rechner immer dabei und kann durch bewusstes Konsumverhalten („Wir leben 2000 Watt“) individuell kaum beeinflusst werden.

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Fred Frohofer von Neustart Schweiz stellt uns das ursprünglich von P.M. (manche erinnern sich an “bolo’bolo”) entwickelte Nachbarschaftsmodell vor. Seiner Ansicht nach wäre es weltweit betrachtet fair, unseren Energieverbrauch auf 1300 Watt zu beschränken. Am besten gelingt dies, wenn jeweils 500 Menschen näher beisammen leben. Gemeinschaftliche Strukturen gibt es hier und da bereits. Vertragslandwirtschaft, Tauschkreise, selbst organisierte Kinderhüte … In einer solchen Nachbarschaft läge alles näher beieinander, was organisatorisch ein Vorteil ist, die Mobilität verringert und sozialen Treffpunkten mehr Raum gibt.

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Ein Projekt dieser Art (mit 180 Wohneinheiten) gibt es in Winterthur. Na, nicht ganz – es geht in die Richtung: Yvonne Lenzlinger wohnt in der Giesserei in Hegi, dem ersten Mehrgenerationenhaus der GESEWO (Genossenschaft für selbst verwaltetes Wohnen). Sie ist Präsidentin vom Hausverein Giesserei. Es funktioniere erstaunlich gut, anfallende Arbeit auf die Bewohner/innen zu verteilen: Es gibt keinen Hausabwart und keine Gärtnerin. Das Gemeinschaftsgefühl wird gefördert. Gleichzeitig bleibe der individuelle Lebensstil gewahrt. Eine neue Wohnform, die anderswo – etwa in Zürich – schon mehrfach in visionär anmutenden Wohnprojekten umgesetzt wird.

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In der offiziellen Politik können Befürworter/innen einer 2000 Watt Gesellschaft nur soviel machen, wie sie von den Menschen unterstützt werden, die anders leben wollen. Dies sagt uns Reto Diener (Präsident Grüne Winterthur und Mitglied des Grossen Gemeinderates). Die direkte Demokratie biete die Möglichkeit zur Mitgestaltung: Initiativen und Projekte haben etwas davon, wenn in der Politik die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden, welche das Engagement erleichtern. Fördernde Massnahmen seien einfacher durchzubringen als „Push“-Massnahmen, welche Einschränkungen gesetzlich festschreiben.

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So befinden wir uns in Winterthur vielleicht in einem Generationen überschreitenden politischen Prozess, dass auch auf dem Zeughausareal eine wie soeben skizzierte „Nachbarschaft“ für selbst organisiertes Wohnen, Leben und Arbeiten entstehen könnte. Dies wäre ein moderner urbaner Lebensstil und Ausdruck für eine nachhaltige Kultur in Winterthur.

 

Die Gäste im Offenen Wohnzimmer haben es vernommen: „Suffizienz“ ist das Fachwort für eine neue „Genügsamkeit“. Der Wertewandel erfasst zum Abschluss auch die Moderatorin: „Wir können uns alle auf mehr Beziehung und Gemeinschaftlichkeit, somit auf einen inneren Mehrwert freuen!“ Statt ganz viel Disziplin und Verzicht bedeutet dies für das Leben in einer 2000 Watt-Gesellschaft vor allem einen Zugewinn an Spass, Inspiration, Genuss und natürlich Kreativität.

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Mit unserem Living Room Brunch „2000 Watt – Watt’n datt?!“ haben wir etwa 0,52t C02 produziert. Die Emissionen setzen sich wie folgt zusammen:

Mobilität Besucher * 43,56 kg
Mobilität Veranstalter 9,09 kg
Gebäude 0,16 kg
Catering 0,37 t
Print 7,62 kg
Sonstiges 1,16 kg
0,52 t CO2

* gemäss Umfrage bei den Besucher/innen

 

Im Jahr 2016 gibt es eine „Baumpflanzaktion“. So viele Bäume werden gepflanzt, dass sie während ihres Lebens den C02-Ausstoss unserer Living Room Brunch-Veranstaltungen 2015 neutralisieren.